SAFIRA & DB mindbox Workshop

Anfang März hatten wir die Gelegenheit, gemeinsam und in den Räumlichkeiten der DB mindbox einen Anforderungsworkshop durchzuführen. Hierzu waren über 60 interessierte Bürger:innen sowie Expert:innen aus den verschiedensten Bereichen - wie Forschungsprojekte, Industrie, fahrende Unternehmen, Verbünde, Kommunen, Fahrgastverbände und viele mehr - zusammengekommen. Ziel war es, gemeinsam mit regionalen und nationalen Interessenten an Auslastungsdaten, den Blick zu öffnen. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Exkursion zur leuchtenden Bahnsteigkante am Bahnhof Südkreuz, Exponate zum Ausprobieren und ein Get2Gether zum Austausch und Netzwerken.

Was wurde in den Workshops diskutiert? Für euch hier zusammengefasst:

  • Die Verfügbarkeit von Auslastungsinformationen ist eine wichtige Grundlage für die Verkehrswende. Dies gilt insbesondere für den öffentlichen Verkehr, bei dem Fahrgäste oft überfüllte Züge oder Busse vermeiden möchten. Durch die Bereitstellung von Auslastungsinformationen können Fahrgäste ihre Reise besser planen und entscheiden, ob sie warten oder eine alternative Route nehmen wollen. Dies erhöht die Kundenzufriedenheit und trägt zur Verkehrsentlastung bei.
  • In den Diskussionen wurden für die Auslastungsinformation folgende Anwendungsfälle genannt:
    • Betrieb,
    • Disposition,
    • Einnahmenaufteilung,
    • Fahrgastinformation und -lenkung,
    • touristische Zwecke
    • und weitere.
    • --> Wichtig ist dabei, Daten nicht nur für einen Anwendungsfälle nutzbar zu machen, sondern für alle.
  • Diskussuionen rund um die Fragestellungen: 
    • Wie erreiche ich die unterschiedliche Kundengruppen?
    • Wie baue ich Feedbackschleifen ein?
    • Wie kann ich negative Effekte vermeiden oder eindämmen?
  • Das Thema Komfort und die damit verbundenen Sitzgelegenheiten wurden immer wieder angesprochen. Die Teilnehmer:innen waren sich einig: Sitzgelegenheiten sind wichtig - nicht nur für vulnerable Gruppen bzw. Reisende mit besonderen Mobilitätsanforderungen. Gerade bei längeren Fahrten, bei Freizeitfahrten oder wenn unterwegs Dinge erledigt werden müssen (Lesen, Arbeiten etc.), sind Sitzplätze unverzichtbar. Dabei ist zwischen schienengebundenem und nicht schienengebundenem Verkehr zu unterscheiden, da hier unterschiedliche Anforderungen an die Verfügbarkeit von Sitzplätzen gelten.
  • Es wurde auch diskutiert, ob das kritische Maß für die Auslastung die Sitzplätze sind. Ein Vorschlag war: eine Stufe Sitzplätze voll, eine weitere Stufe Fahrzeug voll. Dies wurde direkt am Anwendungsfall U-Bahn diskutiert "Wenn die Sitzplätze voll sind, ist die U-Bahn trotzdem leer".
  • Die Teilnehmer:innen tauschten sich über ihre Pilotprojekte, ihre Pläne und die verschiedenen Datenquellen sowie die damit verbundenen Erfahrungen aus.
  • Als Datenquellen wurden folgende Technologien diskutiert:
    • Verbindungsanfragen,
    • AFZS,
    • Ticket Be-In und Be-Out,
    • Mobilfunkdaten,
    • Lightgate,
    • GPS,
    • Videoerfassung und
    • Achslast.
  • Darüber hinaus haben weitere Einflussfaktoren und Daten einen Einfluss auf die Auslastung (und deren Prognose) wie z.B.:
    • Wetter,
    • Feier- und Ferientage,
    • Großveranstaltungen,
    • Störungen/ Baustellen sowie
    • Zähldaten von Parkplätzen
    • Touristischen Attraktionen etc.
  • Fazit:
    • Es gibt nicht die eine Technologie! Jede Erfassungsart hat Vor- und Nachteile oder hat sich aus historischen Gründen entwickelt.
    • Wichtig ist, dass durch die Kombination verschiedener Daten großartige Ergebnisse erzielt werden können. So können Dateninputs von geringerer Qualität zu aussagekräftigen Daten veredelt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle Daten für die Kombination zur Verfügung stehen!
  • Es wurde auch diskutiert, ob die derzeitigen Schnittstellen für diese neue Datenschicht ausreichend sind. Die Schlussfolgerung war - JEIN. Eingeschränkt ja - für alle Anwendungsfälle nein. Ein Lösungsansatz war die IoM-Technologie (Internet of Mobility).
  • Unterschiedliche Auffassung/Ansichten gab es bei der Frage, welche Auslastungsinformation am Gleis/ Steig dargestellt werden soll.

    • Auslastungsprognose (abfahrender Zug nach Halt) oder

    • die Auslastung in Echtzeit (einfahrender Zug vor Halt).

  • Alle waren sich jedoch einig: Die Qualität muss stimmen!
  • O-Ton: Man sollte erst einmal alle historischen Daten nutzen, bevor man über den Königsweg der Prognosen nachdenkt. Der erste Schritt in Richtung Prognose ist dann die Langfristprognose.
  • Gute Visualisierung ist Voraussetzung für Erfolg
  • Fahrgastlenkung: Studien zeigen, dass ca. 50% der Fahrgäste bereit wären, eine alternative Route zu wählen. Es hat sich gezeigt, dass die Fahrgäste alle Alternativen kennen wollen.
    • Hier gab es seitens der Teilnehmer:innen Erfahrungsberichte aus der Praxis, die diese Studie nicht bestätigen
    • Die Abhängigkeit vom benutzen Verkehrsmittel, Reisedauer und Reisezweck wurde diskutiert
  • Die Erfahrung aus verschiedenen Piloten und Studien hat gezeigt, dass der Effekt am größten ist, wenn die Empfehlung personalisiert ist. Allerdings ist die Kluft zwischen "Ich würde mein Verhalten ändern" und "Ich ändere mein Verhalten tatsächlich" groß.
  • Neben Daten aus verschiedenen Erfassungstechnologien wurde der allgemeiner Wunsch geäußert, Daten zu Nutzer:innenforschung, die von verschiedenen Akteuren gesammelt werden, zu kombinieren (z.B. Google Maps, Abfragen über Verbindungs-Apps, Ortungsdaten über Handy).
  • Generell wurden die vorliegenden Fallzahlen beim Bürger:innendialog und der Online-Studie durch die Teilnehmenden kritisch eingeschätzt.

QR-Code-Befragung

  • Seit Sommer 2022 hängen in verschiedenen Verkehrsmitteln innerhalb des VBB-Gebietes QR-Codes aus, über die Fahrgäste die wahrgenommene Auslastung einschätzen können. Der Abgleich von wahrgenommener und objektiver Auslastung (durch Zähldaten) dient zur Validierung der Methodik und zum Erkenntnisgewinn. Von besonderem Interesse wäre z.B. der Vergleich subjektiver Auslastung im selben Zug zum selben Zeitpunkt von unterschiedlichen Fahrgästen.
  • Die COVID-19-Pandemie hat Einfluss auf  die Wahrnehmung der Auslastung . Die Teilnehmenden diskutierten, ob der Einfluss der Pandemie und der begleitenden Maßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsregelungen, etc.) in der Analyse berücksichtigt werden sollte. Differenzen zwischen wahrgenommener und objektiver Auslastung können genutzt werden um die Informationen zur Auslastung anzupassen, damit diese vertrauenswürdiger wird.
  • Als weitere mögliche Forschungsfragen ergaben sich aus der Diskussion:
    • Wahrnehmung der Menschenmenge am Haltepunkt. Bisher wird die Wahrnehmung ausschließlich in den Verkehrsmitteln erfragt.
    • Wahrnehmung der Auslastung abhängig vom eingesetzten Fahrzeug auf derselben Strecke zur gleichen Zeit (einstöckiges vs. doppelstöckiges Fahrzeug)
    • Wahrnehmung der Auslastung abhängig vom eingesetzten Verkehrsmittel
    • Wahrnehmung der Auslastung im Bezug zu Personenmerkmalen (z.B. Geschlecht, Körpergröße, Geräuschpegel etc.)

Bürger:innendialog und Onlinebefragung

  •  
  • Es wurde ein Bürger:innendialog an mehreren U-Bahnhöfen in Berlin und eine weiterführenden Online-Befragung (Untersuchung von Interesse und die Nützlichkeit von Auslastungsinformationen) durchgeführt. Zwischenergebnisse:

    • Das Gebiet der Befragung wird von den Teilnehmenden als relevant eingeschätzt. Beim Bürger:innendialog ist daher eine Befragung an Regiostationen sinnvoll.

    • Bei der Onlinebefragung ist Wohnsituation der Befragten relevant (urban, suburban, ländlich).

  • Als möglich weitere Verteilungsmöglichkeiten/Ansprachemöglichkeiten für zukünftige Befragungen wurde die Einbindung der Fragebögen in Auskunftsapps und die Verteilung von Fragebögen an Abonnenten diskutiert. Dabei sind diese Möglichkeiten als komplementäre zum bisherigen Vorgehen zu sehen, um weitere Fahrgastgruppen erreichen zu können.
  • Es ist anzunehmen, dass der Nutzen und die Anforderungen an Auslastungsinformationen sich abhängig vom Verkehrsmittel unterscheiden. Die Frage ist:
    • Wie kann sichergestellt werden, dass die Befragten sich in die unterschiedlichen Verkehrsmittel eindenken.
  • Neben der Auslastungsprognose stellt SAFIRA die Frage, ob und wie Auskunftssysteme für Verkehrslenkungsaufgaben genutzt werden können. Ein Beispiel ist, im Störungsfall Fahrten bzw. Verkehrsmittel mit vergleichbarer Kapazität als Alternative anzubieten, auch wenn diese nicht die zeitschnellste Fahrtmöglichkeit sind. Neben der Gefäßgröße muss auch die Taktfrequenz berücksichtigt werden.
  • Es wurde die Frage nach der Akzeptanz derartiger Alternativen diskutiert, insbesondere, bei orts- und systemkundigen Nutzer:innen. Als Parameter sind hier interessant: Dauer und Umfang der Störung, Auslastung der Alternativen, Berücksichtigung von Nutzerpräferenzen, Verlängerung der Reisezeit gegenüber der zeitschnellsten Alternative.
  • Von den anwesenden Teilnehmer:innen wurde angemerkt, dass ein Alternativrouting bei dicht getakteten Verkehren nur sinnvoll ist, wenn es sich um eine größere Störung handelt.
  • Bei größeren Störungen im Schienenverkehr werden in der Regel Schienenersatzverkehre eingesetzt. Das Alternativrouting ist trotzdem sinnvoll, da die Ersatzverkehre eine deutlich geringere Kapazität haben. Die Auslastungsinformation (Echtzeit und Prognose) könnte dazu genutzt werden, den Fahrzeugbedarf besser abzuschätzen.
  • Die zeitschnellste Alternative sollte nicht unterdrückt, sondern ebenfalls beauskunftet werden. Die "auslastungstechnisch" beste Verbindung ist damit eine Zusatzinformation. Grundsätzlich sollte überlegt werden, Auslastungsinformationen nicht nur fahrtbezogen, sondern für Linien oder Streckenabschnitte zu kommunizieren.
  • Die Mobilitätsdatenverordnung verlangt die Bereitstellung von Informationen über die Auslastung des öffentlichen Verkehrs. Obwohl die Einbeziehung dieser Daten ein wichtiger Schritt ist, wurden Bedenken hinsichtlich der Starrheit der Anforderungen (3 festgelegte Stufen) und der Genauigkeit der Daten (nur Männchen-Logik) geäußert. 
    • Im Zuge der Diskussion kam die Rückfrage ob die 3 Stufen ausreichend sind um einen Mehrwert im Sinne neuer Dienst zu generieren.
  • Eine zielgerichtete Fortschreibung in das Mobilitätsdatengesetz hilft, die Nutzung von Auslastungsinformationen im öffentlichen Verkehr zu optimieren.
  • Die Verfügbarkeit von Daten war das zentrale Thema der Veranstaltung.
  • In den verschiedenen Workshop-Runden wurden folgende Argumente für Open Data genannt:
    • Bessere Integration: Durch die Offenlegung qualitativer Daten, können diese von anderen Systemen genutzt werden, um ihre eigenen Dienste, Dienste Dritter zu verbessern oder neue Dienste/Prozesse zu entwickeln
    • Zusammen einfach besser: Daten mit geringerer Qualität können in Kombination mit anderen Daten aufgewertet werden. Als Beispiel wurden im Workshop GPS-Daten genannt. Diese sind zwar in den Fahrzeugen abgeschirmt (schlechte Qualität) – aber an den Haltepunkten ab Aus- und Zustieg sichtbar.
    • Erhöhte Transparenz: Die Veröffentlichung von Open Data kann die Transparenz des Öffentlicher Verkehrssystems erhöhen und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Systeme stärken.
    • Förderung von Innovationen: Neue Daten können natürlich nur genutzt werden, wenn sie auch offen zugänglich sind.
  • Fazit:
    • Die Öffnung der Verkehrsdaten ist ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen und fortschrittlichen Mobilität.
    • Allerdings wurden auch Bedenken in Bezug auf Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse, Wettbewerbsvorteile, Qualität, Zugänglichkeit und Cybersicherheit geäußert. Diese Bedenken müssen berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die Veröffentlichung von Daten in offenen Formaten keine unerwünschten Konsequenzen hat.
  • Zitat: "Alle Daten, die durch Steuern finanziert werden, sollten allen Steuerzahlern zur Verfügung stehen."
  • Zitat: "Nur wenn wir gemeinsam das System verbessern, sind wir für die Mobilitätswende gerüstet."
  • Im Vorfeld des Workshops waren alle Teilnehmer:innen zu einer gemeinsamen Besichtigung der innovativen, leuchtenden Bahnsteigkante am Bahnhof Südkreuz eingeladen.
  • Visualisierung: Die Bahnsteigkante kann technisch jede Farbe und verschiedene Effekte darstellen. In der aktuellen Visualisierungsstufe werden die Bereiche, in denen die Wagen stehen, rot und die "freien Bereiche" weiß dargestellt. Die nächste Ausbaustufe (geplant Quartal 2/2023) wird dann die Echtzeitauslastung in Ampelfarben visualisiert. Die Helligkeit der eingebauten LEDs ist abhängig von der Umgebungshelligkeit - im Tunnel dunkler als bei Sonnenschein.
  • Datenversorgung: Die Wagenlänge - und zukünftig auch die Auslastung - wird über einen Lightgate-Sensor (Standort nach der Ausfahrt Yorkstraße) ermittelt. Dieser sendet die Information an einen Rechner direkt am Gleis. Derzeit erfolgt die Datenversorgung noch autark, eine Anbindung an das RIS-System (ReisendenInformationsSystem der DB) ist derzeit in Vorbereitung.

Positiv

  • viel Input und Diskussion
  • gute Vernetzung
  • spannender Teilnehmerkeis
  • guter Überblick über das Themenfeld
  • Ausflug zur leuchtenden Bahnsteigkante
  • lockere Atmosphäre & gute Stimmung

Was ist für dich noch ungeklärt?

  • Werdet ihr die Auslastungsdaten veröffentlichen?
  • Warum werden Daten so spärlich verwendet, um Verkehrsysteme zu verbessern?
  • Wie kommen wir zu der echten und validen Erkenntnis wie Verhalten in Dtl. beeinflusst werden kann…
  • Konkrete Erfahrungen und Fehleranalyse.
  • Ökonomischer Nutzen, z.B. leuchtende Bahnsteigkante Kosten
  • Möglichkeiten Datenaustausch in SAFIRA (z.B. Ergebnisse QR-Code Erhebung)
  • Anschluss an internationale Initiativen?data4pt
  • usw.

Wünsche für Folgeveranstaltungen:

  • Ich fände eine Möglichkeit zur ständigen digitalen Vernetzung super!
  • Zwischenergebnisse teilen
  • Noch breiter denken. Think Big!
  • Enger gesetzter Fokus
  • Mehr interaktive Workshops wären cool (der geplante Hack-Day) um hands on zu arbeiten
  • Ich hätte mir noch die Vorstellung einiger Startups gewünscht und ich hätte mir gewünscht, dass die Verzahnung zwischen SAFIRA, VDV, Delfi, Mobimeo, Mobility Inside, Datenraum Mobilität etc. klarer dargestellt wird. Meiner Meinung nach gibt es viel zu viele Verbände, Allianzen, Repräsentanten etc.

Diese Liste ist ein Auszug und nicht vollständig! Alle Anregungen werden gerne aufgenommen und berücksichtigt :)

 

DANKE!

Rückblickend bleibt uns nur noch zu sagen: Vielen Dank für die Teilnahme und das große Interesse am Thema Auslastungsinformationen.

Wie geht es weiter?

Das war erst der Anfang! Wir planen unseren Hack-Day 2024 und bis dahin fällt uns sicher noch das eine oder andere spannende Format für den Wissenstransfer ein :).

Was ist die DB mindbox?

Das ist der Start-up-Hub der Deutschen Bahn AG.

Mehr Infos: DBmindbox.com

Fragen, Anmerkungen oder Ergänzungen

Wir freuen uns über